Erwartete und erlebte Usability – Hamburger-Navigation am Desktop
„Das habe ich mir aber ganz anders vorgestellt.“ Jeder, der schon einmal zuerst ein Buch gelesen und danach dessen Verfilmung gesehen hat, kennt dieses Gefühl. Man hat sich zuvor schon ausgemalt wie eine Person oder Situation aussehen könnte und deshalb ganz bestimmte Erwartungen entwickelt. Das erste Aufeinandertreffen von Erwartungen und Erlebnis wird also zu einem entscheidenden Moment. Stimmt das Erlebnis nicht mit den Erwartungen überein, ist man schnell enttäuscht, weil man es sich eben anders vorgestellt hatte.
Die Hamburger-Navigation
Auch Websites lassen sich hinsichtlich Erwartungen und Erlebnis wissenschaftlich untersuchen. Genau das hat Heike bei uns in ihrer Bachelorarbeit getan. Sie hat den Webdesign-Trend untersucht, eine sogenannte Hamburger-Navigation auf Websites im Desktop-Format einzusetzen. Die Hamburger-Navigation wird eigentlich nur bei Anwendungen auf Smartphones eingesetzt, da sie besonders platzsparend ist. Anstatt eines kompletten Menüs wird lediglich ein Button mit drei Strichen angezeigt. Dessen Form erinnert eben an einen einfachen Burger mit zwei Brötchenhälften und einen Fleisch-Patty in der Mitte. Erst, wenn der Hamburger-Button angeklickt wird, wird dem Nutzer das komplette Menü angezeigt. Websites, die diese Form der Navigation aufgreifen, sind oft besonders minimalistisch gestaltet und punkten in Sachen Design. Die Hamburger-Navigation ist hinsichtlich ihrer Usability jedoch umstritten. Der Nutzer sieht nur per Klick, welche Menüpunkte ihm zur Verfügung stehen. Darunter leidet die Orientierung.
Was schön ist, ist auch nutzbar?
Wenn die Burger-Navigation also aus ästhetischen Gründen auf Desktop-Websites eingesetzt wird, sieht die Seite zwar schön aus, ist aber schlechter zu benutzen? Diese Frage stellte Heike sich in ihrer Bachelorarbeit. Die Idee „What is beautiful is usable“ (Tractinsky et al. 2000) dient dabei als Grundlage. Ihre Annahme: Wirkt eine Website auf den ersten Blick ästhetisch, wird sie vor der Nutzung automatisch als gut benutzbar eingeschätzt, auch wenn die tatsächliche Nutzung nachher etwas Anderes zeigt.
Sie geht also davon aus, dass Websites mit einer Burger-Navigation vor der Nutzung als ästhetischer bewertet und damit auch als besser benutzbar eingeschätzt werden. Allerdings erwartet sie, dass diese Websites nach der Nutzung schlechter bewertet werden.
Das überraschende Ergebnis
Erstaunlicherweise fällt das Ergebnis aber anders aus. Denn die konventionelle Navigation wird auf den ersten Blick grundsätzlich besser bewertet als die Burger-Navigation. Die konventionelle Navigation erscheint den Testpersonen offensichtlich vertrauter und wird deshalb positiver und transparenter wahrgenommen. Auch die erwartete Usability der Burger-Navigation wird vor der Nutzung der Website schlechter eingeschätzt.
Sobald sie aber erst einmal genutzt wurde, wird die Nutzbarkeit der Website mit Burger-Navigation besser bewertet. Somit hat die Burger-Navigation zwar nicht dazu beigetragen, die Website ästhetischer als die Website mit der konventionellen Navigation wirken zu lassen, allerdings ist die tatsächliche Nutzung der Burger-Navigation und auch des konventionellen Menüs positiver für die Teilnehmer, als sie es zuvor erwartet hätten.
Mere-Exposure-Effekt
Erklären lässt sich dieses Ergebnis mit dem sogenannten Mere-Exposure-Effekt. Dieser besagt, dass durch die wiederholte Darbietung von Dingen, Personen oder Situationen die Einstellung eines Menschen gegenüber diesen Dingen positiv beeinflusst wird – in diesem Fall die Usability und Ästhetik der Navigation. Auch Werbe- und Marketing-Maßnahmen bauen auf diesem Effekt auf, da beworbene Produkte oder Dienstleistungen durch die Wiederholungen positiver wahrgenommen werden.
Hat sich die Sache mit der Hamburger-Navigation gegessen?
Doch was heißt das nun für uns? Sollten wir auf Desktop-Websites eine Hamburger-Navigation meiden, da es den Nutzer auf den ersten Blick verwirren könnte?
Nein nicht unbedingt, denn die Ergebnisse zeigen auch, dass der Einsatz einer Burger-Navigation auf einer Desktop-Website besser bewertet wird, wenn die Seite erst einmal erlebt wurde. Die Nutzer sind anfangs nur skeptisch und müssen sich zunächst damit vertraut machen.
Voraussetzung für den erfolgreichen Einsatz dieses Design-Trends ist allerdings die komplette Anpassung der Website auf diese Art von Navigationskonzept: Die Seite muss übersichtlich gestaltet und darf nicht zu komplex sein oder zu viele Elemente darstellen, da ansonsten der eher unauffällige Hamburger-Button untergeht.
Wenn sich also das nächste Mal ein Film oder eine Website auf den ersten Blick nicht einhundertprozentig gefällt, rennen Sie nicht weg, sondern lernen einander kennen. Wenn das Gesamtkonzept stimmt, kann daraus trotzdem eine sehr positive Erfahrung werden.
Übrigens: Bewerbungen zum Schreiben von Bachelor- oder Masterarbeiten nehmen wir jederzeit gerne entgegen. Einerseits erhalten Studenten so einen wertvollen Einblick in die Arbeitswelt und andererseits können die Ergebnisse der wissenschaftlichen Untersuchungen direkt in unsere praktische Arbeit einfließen.
Quelle:
Tractinsky, N.; Katz, A.S; Ikar, D. (2000): What is beautiful is usable. In: Interacting with Computers 13 (2), S. 127–145. DOI: 10.1016/S0953-5438(00)00031-X.
Jochen Meiring hat seinen M.A. in Kommunikationswissenschaft an der WWU Münster gemacht. Als Experte für Content Marketing setzt er sich immer wieder mit neuen Trends im Onlinemarketing auseinander. Seine Kreativität und Neugier kann er in den unterschiedlichsten Kundenprojekten und im Blog von interface medien ausleben.