Das Geschäft mit der Aufmerksamkeit und die Online-Nutzung von morgen
Aktuell ist die Telekom schwer unter Beschuss: Sie will die neutrale Verfügbar- bzw. Nutzbarkeit des Internets einschränken. Ab einem verbrauchten Volumen von 75 GB im Monat muss draufgezahlt werden. Netzgemeinde und private Nutzer sind entsetzt.
Der freie Datenverkehr im Netz ist aber so oder so schon längst nicht mehr als allenfalls eine warme Vorstellung. Seit jeher bestimmt das quantitative Klickaufkommen über Werbepreise und Betreiber kämpfen um die Aufmerksamkeit des Publikums. Das hat in der Vergangenheit schon mehrfach dazu geführt, dass künstliche Hürden gebaut wurden, deren Überwindung bezahlt werden mussten.
Auch Facebook und Google entscheiden über den Zugang zu Informationen
Facebook hat vor einiger Zeit beschlossen, mit dem Werkzeug Edge Rank Informationen nach Relevanz in die Timelines ihrer User vorzulassen. Unternehmen, aber auch Privatpersonen haben aber gegen Bezahlung die Möglichkeit, diese Hürde zu überspringen und so die Reichweite ihrer Inhalte zu erhöhen und entsprechend Aufmerksamkeit einzukaufen.
Google hat es vorgemacht und setzt seit 2000 erfolgreich das Adwords-Programm dazu ein, um die Barriere der organischen Suche gegen Kreditkarte auszuhebeln. Auf diesem Modell gründen heute ganze Branchenzweige.
Facebook und Google ihrerseits stehen dabei unter enormem Druck, sich die Aufmerksamkeit der User für die Zukunft zu sichern. Als Erfolgsrezept galt bislang, sich Start-Ups aus dem Bereich mobile/ lokale Dienste zu akquirieren, deren Funktion als zukunftsdienlich/ -tauglich gilt. Und am besten auch noch eine eigene Community mitbringen (Instagram), die als Projektion für Ihre Werbung einsetzbar ist.
Aktuell konkurrieren Facebook und Google wohl um den Karten-/ Navigationsdienst WAZE, der aus nutzerbasierten Informationen Baustellen, Radarfallen und Unfälle in Echtzeit abbildet. Das ist natürlich kein Zufall, denn diese App erfüllt alle Merkmale, die das Netz der Zukunft fordert: User, Realtime, Werbeplattform, mobile Einsetzbarkeit.
Der überlebenswichtige Kampf um Aufmerksamkeit, den Facebook und Google noch lange nicht zu ihren Gunsten entscheiden konnten, ist voll entbrannt. Google und Facebook wissen beide, dass am Ende derjenige reüssieren wird, der es versteht den mobilen Wandel für sich zu nutzen und Angebote zu etablieren, die auf Smartphone und Tablet Aufmerksamkeit erzielen.
Telekom als zukünftiger Gatekeeper?
Bei der Telekom geht es nicht allein darum, dass Surfen teurer wird, sondern dass das Unternehmen bestimmte Inhalte (z.B. das eigene, sog. Entertain-Programm) anderen vorzieht. Solche Inhalte werden auf das zur Verfügung stehende Datenvolumen nicht angerechnet. Andere Inhalte werden somit benachteiligt. Die Telekom fungiert somit sogar als Gatekeeper, der darüber mitbestimmt, welche Inhalte der Kunde sieht und welche nicht.
Nun ist die Telekom gegen die privatwirtschaftlichen, ausländischen Unternehmen ein ehemaliges Staatsunternehmen, an der die Bundesrepublik Deutschland 15% der Anteile hält. Insofern kann man die Ziele der handelnden Parteien nicht miteinander vergleichen und muss aus gesellschaftlicher, rechtlicher Perspektive und in Teilen auf gewinnorientiertes Handeln verzichten. Die Telekom ist für den Betrieb des Netzes zuständig und sollte Unternehmensgewinne nicht auf dem Rücken der Nutzer des Netzes erzielen.
Jochen Meiring hat seinen M.A. in Kommunikationswissenschaft an der WWU Münster gemacht. Als Experte für Content Marketing setzt er sich immer wieder mit neuen Trends im Onlinemarketing auseinander. Seine Kreativität und Neugier kann er in den unterschiedlichsten Kundenprojekten und im Blog von interface medien ausleben.